© by Fabrizius

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bitte geben Sie den Autor an, sonst ist es geistiger Diebstahl.

Montag, 20. Februar 2017

Wenn ein Notarzteinsatz zum Drama wird

Es gibt Erlebnisse, die brennen sich ein Leben lang ins Gedächtnis ein. Sie lassen einem auch heute noch das Blut in den Adern gefrieren.

Der Anruf kam gegen 19 Uhr. Auf der Landstraße kurz vor Langerringen ein Verkehrsunfall. Motorrad gegen LKW, ein Schwerverletzter.
Franz, ein erfahrener Rettungssanitäter biss ein letztes Mal in seine Leberkassemmel, dann schwang er sich hinter das Steuer des Rettungswagens. Der Motor heulte auf. Mit Blaulicht und Martinshorn ging es hinaus in die einbrechende Nacht.
»Scheißnebel!«, fluchte er leise vor sich hin. Zusammen mit einem ehrenamtlichen Sanitäter saß ich neben ihm auf der Sitzbank.
Der Nebel war brutal.

Nach wenigen Kilometern erkannten wir schemenhaft einen LKW, der mit dem Führerhaus im Straßengraben hing.
Ein schweres Motorrad lag total demoliert teilweise unter dem linken Vorderrad.
Zwei PKWs standen am Straßenrand.
Ein Mann winkte mit einer Taschenlampe.

Auf dem Kiesbett wenige Meter neben dem LKW lag der verunfallte Motorradfahrer. Eine Frau und ein Mann beugten sich über ihn.
Wir sprangen aus dem Rettungswagen. Franz, unser Fahrer, war leichenblass.
Sie hatten den Verletzten in die stabile Seitenlage gebracht.

Im Scheinwerferkegel unseres Rettungsfahrzeugs sah ich einen jungen Mann, die Lederjacke zerfetzt. Aus dem Hemd quoll Blut. Als ich den Verletzten auf den Rücken drehte, um ihn zu intubieren, kam ein Schwall Blut aus dem Mund. Der Hals war aufgerissen.
Aus der klaffenden Wunde kam ein Röcheln. Der Brustkorb war nur noch ein instabiles Etwas. Er bewegte die Lippen. Ich sah in weit aufgerissene Augen.

Franz stand etwas abseits und übergab sich.

Da war nichts mehr mit Intubieren. Ich griff nur noch in eine blutige Gewebemasse.

»Michael!«, Franz stieß mich zur Seite. »Michi!«
Er nahm das Gesicht des Sterbenden in die Hände. »Michi!«
Dann schrie er ein letztes Mal den Namen seines Sohnes in die Nacht.

Samstag, 18. Februar 2017

*** ausgeplaudert *** Abschneiden geht immer

Die nächste Geschichte ist fast a bisserl unanständig, trotzdem muss sie erzählt werden.

»Komm sofort hoch!«
Das war mein Oberarzt Werner am anderen Ende der Leitung. Ich saß am frühen Abend, es war noch hell, beim Mayerwirt und Werner hatte Dienst im Krankenhaus.
Aufgelegt. Keine Erklärung, was denn los sei! Das war ich von ihm nicht gewohnt.
»Komm sofort hoch!«, schrie er fast ins Telefon, sonst nichts.
Da muss was Schlimmes passiert sein.

Ich fuhr hoch ins Krankenhaus, rannte vorbei an der Pforte, in der unsere Schwester Judith, eine alte Nonne, noch stundenweise Dienst tat.
Im Eingriffsraum hörte ich Stimmen. Da musste jemand schlimme Schmerzen haben.

Dann sah ich das ganze Malheur.
Aber erst mal der Reihe nach.

Ein junger Mann kam mit schmerzverzerrtem Gesicht, aber noch zu Fuß, ins Krankenhaus. Er brauche dringend einen Arzt, stöhnte er. Schwester Judith wollte aber genauer wissen, um was es denn ginge. Der Knabe rückte damit nicht raus, stöhnte statt dessen, und flehte sie an, endlich einen Arzt zu holen. Mittlerweile war eine Schwester vom ersten Stock runtergekommen und bugsierte den Leidenden in den Eingriffsraum unserer Ambulanz. Der diensthabende Doktor, nämlich Werner wurde herbeigerufen.
Der, rief mich nach einer ersten Schrecksekunde sofort an.

Der junge Mann hatte schon eine Infusion am Arm, und einiges an Schmerzmittel intus. Jedenfalls wurde das Wimmern leiser.
»Anästhesie ist schon unterwegs!«, informierte mich Werner. Die beiden OP-Schwestern kamen fast zeitgleich mit mir.

Da sprang ein pralles blaues Ding aus der heruntergelassenen Hose, was nur durch die eindeutige Körperregion als Penis identifiziert werden konnte. Um den Schaft war ein gusseiserner Ring. Der ging nicht mehr runter.

»Scheiße, das tut weh!« Ich stand ratlos davor.
»Ich kann dem doch den Pimmel nicht abschneiden!«
Werner stand neben mir.
»Schosi muss her!«
Schosi ist unser Hausmeister und für alle Notlagen der richtige Mann.

»Dem Urologen hab ich noch nicht Bescheid gegeben!«!
Meldete sich Werner wieder.
»Abschneiden kann ich selber! Den brauchen wir nicht!«

Es gibt in eindeutigen Fachgeschäften diverse Ringe für allerlei Sexspiele. Die sind aber aus Gummi und können jederzeit entfernt werden.
Unser Ring hatte eine Dicke von, na ja, sagen wir knapp einem Zentimeter und war aus Gusseisen. Normalerweise verriegelte er eine herunterklappbare Bordwand am Tracktoranhänger.

Mittlerweile schlief der Unglücksrabe dank der eingeleiteten Narkose.

Dann hörte ich ein »Oh-Gott-oh-Gott-oh-Gott!«, und Schwester Judit trippelte wieder zurück in ihre Pforte.

Schosi stand in der Tür, betrachtete sich die Sache sehr genau und sagte: »Der geht nur mit einer Flex runter!«
Schon war er in seiner Werkstatt verschwunden und kam wenig später mit einer Riesenflex daher.
Es war unmöglich, dieses Trum mit einer Hand zu führen.
»Schosi, die ist zu groß, ich brauche was Kleineres!«
»Mein Schwager hat eine Kleine!«, und schon war er unterwegs zum Schwager.

Mittlerweile bekam der Lustspender Ähnlichkeit mit einer Blutwurst. Wir mussten uns beeilen.

Die kleine Flex war ideal. Werner hielt die pralle Blutwurst fest und zog sie im richtigen Winkel vom Körper weg und ich setzte die Trennscheibe an.
»Das wird heiß!«, bemerkte Schosi.
»Wasser!«
Nun schüttete eine OP-Schwester andauernd Wasser zum Kühlen über Ring und Pimmel.

Die Funken stoben vom OP-Tisch und da die Tür rüber zur Ambulanz offen war, stoben sie auch noch hinaus auf den Flur.
Schwester Judith stand kreidebleich in der Pforte und wiederholte immer wieder ihr »Jesses-Maria, Jesses-Maria!«
Dann fing sie an den Rosenkranz zu beten.

Wir arbeiteten uns Millimeter um Millimeter vor. Immer wieder legten wir eine Pause ein, da der Ring trotz reichlich Wasser verdammt heiß wurde.
Nun war er durch.

Ha, Pustekuchen. Da war nichts mit Aufbiegen und so. Gusseisen lässt sich nicht biegen. Also, nochmal die ganze Prozedur mit Flex, Wasser, Funken, Kühlen, Warten!

Bei dem permanenten Wassergeprutschel hatte ich die ganze Zeit Angst eine gewischt zu bekommen.

Nach einer guten Stunde war alles überstanden. Der Ring lag in zwei Teile zerschnitten in voller Unschuld auf dem Instrumententisch.

Die Blutwurst verlor so langsam ihre tiefblaue Farbe.
»Meinst Du, der geht nochmal?«, fragte Schosi und verräumte dabei die Flex seines Schwagers.

»Abwarten!«, sagte ich. Dann klatschten wir uns nach dieser gelungenen Aktion alle ab.
Wenig später wurde der Patient, noch schläfrig von der Narkose, mit dem Bett auf Station gefahren und ich trank noch ein Weizen beim Mayerwirt.

Nachzutragen wäre noch:
Das Ganze ging ohne die kleinste Verletzung ab. Nach wenigen Tagen war die Funktionalität vollständig wiederhergestellt, wie mir der junge Mann bei einer Kontrolluntersuchung glaubhaft versicherte.

Zwei Kinder, ein Bub und ein Mädchen, dem Vater wie aus dem Gesicht gerissen, waren der unumstößliche Beleg dafür. Und weil die Zeit wie in Windeseile vergeht, sind auch diese beiden Beweismittel mittlerweile erwachsen und haben selber Kinder.

Samstag, 11. Februar 2017

*** ausgeplaudert *** Der Skiunfall

An den Winterwochenenden vor vielen Jahren fuhren meine Söhne öfters mit dem Fürstenzeller Skiclub nach Mitterfirmiansreut.

So war es auch an einem wunderschönen Sonntag.
Die werden sich richtig austoben und abends todmüde ins Bett fallen, sagte ich mir.

Dann kam in den Nachmittagsstunden ein Anruf der Rettungsleitstelle.
In einer halben Stunde würden sie meinen Sohn Martin zu mir ins Krankenhaus bringen. Er sei am Schlepplift gestürzt und habe sich einen Unterschenkelbruch zugezogen.

»Oha!«, dachte ich erst mal, dann machte ich mich auf den Weg ins Krankenhaus.

Ich malte mir das Szenario droben im Bayerwald aus. Ausgerechnet dem Sohn des Chefarztes passierte das. Da wollte man natürlich kein Risiko eingehen. Mit optimaler Versorgung musste der Transport in die Wege geleitet werden.

Wenig später fuhr der Sanka vor. Auf einer Vakuummatratze lag mein Sohnemann. Da war nichts mit schmerzverzerrtem Gesicht. Mit einem vielsagenden Grinsen begegnete er meinem besorgten Blick.

Einer der Sanitäter meinte, es sei das linke Bein.

Ich sah mir die Sache an. Martins linker Unterschenkel lag locker über dem rechten Unterschenkel. Die Kuhle in der Vakuummatratze verriet mir allerdings, dass das linke Bein zunächst ganz normal neben dem Rechten lag.

Das stimmte was nicht! Nie und nimmer konnte jemand seinen gebrochenen Unterschenkel aus der Vakuummatratze herausheben und auf sein gesundes Bein legen.

Martin konnte es.

Eine kurze Untersuchung bestätigte meine soeben getroffene Feststellung. Ein blauer Fleck direkt über dem Schienbein war alles.

»Du stehst jetzt sofort auf, räumst Deine Skier in mein Auto und trollst Dich nach Hause!«

Gesagt, getan.
Ich gab Sohnemann den Autoschlüssel, dann war er auch schon mitsamt Rucksack und Skiausrüstung verschwunden.

Stumm schauten die Sanitäter meinem Treiben zu.
In Ihren Gesichtern spiegelte sich blankes Entsetzen.
»Rabenvater!, hat der sie noch alle?, das gibt es doch nicht!«, las ich in ihrer Mimik.

Damit der Bürokratie genüge getan wurde, quittierte ich den Krankentransport und bot den Sanis noch einen Kaffee an, den sie dankend ablehnten.

Damit war die Episode nicht zu Ende.
Wochen später kam die Rechnung des Roten Kreuzes über den Transport mit dem Rettungswagen.
Die reichte ich meiner Krankenkasse ein und erhielt wenig später einen Brief.

Sie könnten das nicht begleichen, da ja keine Rechnung über die Behandlung dabei sei.

Ein Anruf meinerseits mit dem Argument, ich würde meinem Sohn wohl keine Rechnung stellen, konnte die Versicherungsmenschen nicht befriedigen. »Ohne Behandlung keine Übernahme der Transportkosten!«

Also schrieb ich meinem eigenen Sohn eine Rechnung mitsamt Untersuchung und Sonntagszuschlag. Siehe da, nun bezahlten sie beides, den Transport und die »Behandlung«!

Sonntag, 5. Februar 2017

*** ausgeplaudert *** Die unheimliche Begegnung

Ich hatte mal einen Kollegen. Der übernahm vor vielen Jahren eine chirurgische Chefarztstelle an einem Kreiskrankenhaus.
Das klappte mehr schlecht als Recht. Mal war ihm das zu viel, mal das andere zu wenig. Mit dem Personal konnte er nicht und die Organisation lies auch zu wünschen übrig.
Ich hatte das alles mitbekommen, weil er sich immer mal wieder bei mir »ausheulte«. Selbst ein paar Hospitationen an meiner Abteilung zeigten nicht den erwünschten Erfolg.

Schon bald war klar, er konnte die Chefarztstelle nicht halten. Der Krankenhausträger, eine kommunale Einrichtung, schwerfällig wie d’Sau, kapierte es schließlich auch. Man trennte sich in beiderseitigem Einvernehmen.
Das sollte man, wann immer es möglich ist, so machen.

Wir verloren uns aus den Augen, bis die Zertifizierungshysterie über die bundesdeutsche Krankenhauslandschaft hereinbrach.
Das war jetzt »IN«. Ohne Zertifizierung warst Du eine Krücke, ein NO GO, ein überalterter Methusalem. Mit anderen Worten, ohne Zertifizierung konntest Du keine gute Medizin mehr machen.

Also sprießten überall private Zertifizierungsagenturen, selbstverständlich nach DIN-Norm und staatlich ausgelobt,  wie Pilze aus dem Boden.

Dann war es auch in meiner Abteilung soweit. Ich sagte mir, das sei halt dem Fortschritt geschuldet und nun mal so üblich. Meine chirurgische Abteilung brummte, schrieb gute Zahlen und war vor Ort durchaus angesehen. Ich brauchte vor nichts zu Kuschen.

Irgend ein »Zertifizierungsbeauftragter« aus den Reihen unserer Verwaltung, der in ein paar Wochenendlehrgängen zum Fachmann mutierte, übernahm das Training.
Jetzt hieß das ganze Qualitätsmanagement und so Begriffe wie »ISO 9001« und »KTQ« waren plötzlich furchtbar wichtig. Neben einer Erstzertifizierung gab es Rezertifizierungen, bei denen die oben bereits erwähnten »Agenturen« prächtig Kasse machten.

Ganze Horden von Zertifizieren tummelten sich in regelmäßigen Abständen im Krankenhaus.

Was früher bei uns in der Chirurgie schlicht und einfach»Ablauforganisation« hieß, wurde nun in viele Begriffe aufgesplittert. Ich will sie mit diesem Schmarrn nicht langweilen. Das sind endlos lange, meist nichtssagende Listen mit viel Unsinn drinnen.
Da war von Kundenzufriedenheit die Rede. Plötzlich wurden unsere Patienten Kunden.
Alles Mögliche und Unmögliche wurde messbar gemacht.
Das klappte natürlich nicht, dann nahm man halt fiktive Zahlen an.
Über allem schwebte der Mammon. Mein hervorragendes Personal wurde heimlich und leise zum Kostenfaktor und der Patient, sorry Kunde, zur Melkkuh.

Dann kam eine unheimliche Begegnung:
Sie erinnern sich noch an meine Anfangszeilen?
Es kam zum Abschlussgespräch über das ganze Zertifizierungsgedöns. Und wer kam munteren Schrittes in mein Zimmer?
Sie erahnen es!
Er meinte, er sei jetzt voll und ganz in die Zertifizierung eingestiegen und habe mit der Chirurgie nichts mehr am Hut.

Nun wollte sich der Herr Kollege Zertifizierer mit mir über Organisationsdefizite in meiner Abteilung unterhalten. Er zückte ein Schnellhefter, voll mit Formularen und Listen. Wenn es damals schon Notebooks gegeben hätte, dann hätte er sicher statt Schnellhefter so ein Dings vor sich liegen gehabt.

»Du?«, ich musste einfach lachen.
»Du willst mir etwas über Organisationsdefizite in meiner Abteilung erzählen?«
Verwundert schaute er mich an und meinte:
So ein Abschlussgespräch sei nun mal zwingend bei einer Erstzertifizierung vorgeschrieben.

»Wir können uns über alles Unterhalten, können einen Kaffee miteinander trinken oder ein Bier. Ich besorge Dir sogar eine Brotzeit. Aber eines sag ich Dir! Keinen Ton über meine Organisationsdefizite, sonst schmeiß ich Dich hochkant raus!«

Er blieb sitzen, packte seine Schnellhefter wieder ein und meinte, jetzt habe er endlich mehr Zeit Golf zu spielen.

Donnerstag, 2. Februar 2017

*** ausgeplaudert *** Zu fett!

»Also, Herr Chefarzt, eines muss ich ihnen jetzt schon mal sagen!«
Aha, denke ich für mich, klingt nach Beschwerde, nach Dampf ablassen!

Eine resolute Mittvierzigerin pflanzt sich vor meinem Schreibtisch auf, die Ambulanzkarte, besser, meine Patientenaufzeichnungen hält sie in der linken Hand, mit der rechten deutet sie auf ein Blatt, das offensichtlich der Grund für ihre Aufregung ist.

Ich bitte die Dame, Platz zu nehmen.
Schnurstracks gehe ich zum Waschbecken, wasche sehr gründlich meine Hände. Ein Arzt kommt immer gut an, wenn er sich vor dem Patienten seine Hände wäscht, eine uralte Medizinerweisheit. Und noch viel wichtiger, während dieser Zeit kann er seinen Patienten beobachten.

In diesem Falle ist es, wie gesagt, eine Patientin. Fast attraktiv, wenn da nicht die zu vielen Pfunde wären. Roter Rollkragenpulli, schwarzer Rock, der bis zu den Knöcheln reicht. Kurz geschnittene brünette Haare, volles hübsches Gesicht. Grünbraune Augen funkeln herüber zu mir an’s Waschbecken. Ihr Dialekt verrät sie als Österreicherin.

Sie kommt gerade von meinem Kollegen Dr. Werner Bauer, der ist für die Ultraschalluntersuchungen zuständig.
Offensichtlich ist Werner auch der Grund für ihre Aufregung.

»Herr Chefarzt, ich verlange, dass dieser Befund da drinnen wegkommt!« Mit »da drinnen« meinte sie die Ambulanzkarte mit den Aufzeichnungen über ihre Untersuchung.

Sie knallt mir die Unterlagen auf den Schreibtisch und bleibt vor mir stehen.

Oh je, da steht es. Deutlich sticht die Bemerkung aus den Aufzeichnungen heraus. »Zu fett!« Und das auch noch unterstrichen. Und dann hat der Dussel der Patientin auch noch die Unterlagen mitgegeben.

Ganz vorsichtig lote ich meine Versöhnungschancen aus.
»Ach, Frau Obermaier, der Dr. Bauer hat das mal so dahingeschrieben!«
Sie fällt mir sofort ins Wort.
»Dass ich ein paar Pfunde zu viel draufhabe, weiß ich selber. Aber gleich solch eine Beleidigung!«

Jetzt holt sie noch mal Luft, danach braust ein Lamento über mich.
»Ich esse eh kaum noch was, mache eine Diät nach der anderen, aber Herr Chefarzt, ich kann machen, was ich will, ich trau mich schon gar nicht mehr auf die Waage!«

Die Pause zum Luftholen nutze ich aus.
»Ich streiche das durch. Im endgültigen Bericht an ihren Hausarzt steht nichts mehr drin!«
Jetzt bringe ich mein schlagkräftigstes Argument an.
»Wir beide können unsere Pfunde ja nicht verstecken!«

Das wirkt! Auch bei mir helfen diverse Diäten nur ganz bescheiden.
Als Leidensgenosse werde ich von Frau Obermeier akzeptiert.
»Hat er außer den paar Pfunden zu viel auch noch was anderes gefunden«, will ich jetzt wissen. Unter den leichtsinnig hingeschriebenen Worten steht nämlich noch was von Gallensteinen.

»Niemand hat bisher bei mir Gallensteine gefunden!«
»Jetzt vergessen sie mal ihren Babyspeck!«
»Jetzt machen sie sich auch noch lustig über mich!«, flötete mir Frau Obermeier entgegen und schaut gekränkt.
»Ach was, Frau Obermaier, niemand will sich lustig machen! Sie haben doch schon länger diese Koliken?«

Die Tür geht auf, Dr. Bauer stürmt herein.
Ganz Dame würdigt meine Patientin den Übeltäter mit keinem Blick. Er legt mir die Ultraschallbilder vor und wendet sich mit einem unschuldigen Allerweltsgesicht an sie.
»Ne ganze Menge Steinchen haben sie in Ihrer Gallenblase! Am besten die operieren wir bald raus. Allerdings wäre es besser wenn sie ein paar...!«
Mein bohrender Blick hinauf an die Decke lässt ihn stutzig werden.
Mitten im Satz bricht er ab.
»... Pfunde abspecken«, verkneift er sich.
Statt dessen ergänze ich »ein paar zusätzliche Untersuchungen machen lassen, damit wir sie recht bald operieren können!«

»Wenn ich mich operieren lasse, dann nur vom Herrn Chefarzt, sie lasse ich sowieso nicht mehr an meinen Bauch!«
Peng, das sitzt! Werner schaut verwundert. Mit verschwörerischer Mine lächelt sie mich an und dreht ihm den Rücken zu. Mit einem Schulterzucken geht er hinaus.

»Ich weiß schon, was der sagen wollte!«
»Hat es aber nicht!«, falle ich ihr ins Wort.
»Ich komme dann zu Ihnen ins Krankenhaus, wenn der Schnösel in Urlaub ist!«
Gemeinsam schauen wir im Kalender nach, planen die Operation während Schnösels Urlaub.

Mit einem herzhaften Lachen verabschiedete sich Frau Obermaier von mir.
Elegant umkurvt sie meine Sekretärin, die gerade ins Zimmer kommt.
»Sie können froh sein, dass sie so einen dollen Chefarzt haben, der Dr. Bauer ist nämlich ein Depp!«