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Donnerstag, 19. Januar 2017

*** ausgeplaudert ***Wenn einem das Herz in die Hose rutscht

 

Die nächste Geschichte ist eine makabre Geschichte. Aber auch makabre Geschichten müssen erzählt werden.


In einem kleinen Krankenhaus im Schwäbischen war ich ein paar Jährchen als Assistenzarzt tätig. Dort hatte ich eine chirurgische Station zu betreuen. Für einen Jungspund, wie mich damals, eine Herausforderung.
Neben dem Wirken bei den Lebenden musste natürlich auch immer mal wieder der Tod bei einem Menschen festgestellt und per Leichenschein dokumentiert werden.

So geschah es an einem Werktag frühmorgens. Ein alter Mann erlag in der Nacht seinem Leiden. Wir alle hatten schon damit gerechnet. Nun war er Tod! Ich füllte die üblichen Formulare aus und kümmerte mich wieder um die Lebenden. Mittlerweile war der Leichnam vom Bestatter abgeholt.

In den Nachmittagsstunden eilte ein Mann auf meine Station und verlangte nach mir. Ich bat ihn in mein Zimmer. Er druckste kurz herum, es wäre ja eher peinlich für ihn, aber als Verantwortlicher für das städtische Leichenhaus könne er das nicht ignorieren. Lange Rede kurzer Sinn. Er fragte mich rundheraus, ob ich mir sicher wäre, dass der Tote von heute Morgen wirklich tot sei.

Da fiel mir nicht nur die Kinnlade herunter, sondern auch das Herz in die Hose. Ich malte mir die schrecklichten Szenarien aus. Schließlich war der schon eingesargt.

In Windeseile hetzte ich auf den Parkplatz, schmiss mich in mein Auto und fuhr zur Leichenhalle.  Ich stürmte hinein und fand erst mal keinen Sarg.

Mittlerweile war der Leichenhallenverantwortliche nachgekommen und meinte, er hätte den Sarg eben mal in einen Nebenraum geschoben und abgeschlossen, man könne ja nie wissen.
Was »man nie wissen könne« fragte ich nicht nach. Statt dessen verlangte ich mit bleichem Angesicht, vielleicht schlotterten, meine Knie auch ein wenig, den vermeintlichen nicht toten Leichnam zu sehen.

Friedlich lag der Verstorbene im Sarg. Der Verantwortliche meinte, er sei deswegen zu mir gekommen, weil er keine Leichenstarre feststellen konnte.

So langsam bekam ich wieder Farbe ins Gesicht.
Der Trottel hatte mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Dann meinte er auch noch mit süßsaurer Mine, ob ich ihn, also den Toten, nicht doch nochmal abhören wolle.

Wieder im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und dem ärztlichen Wissen erklärte ich dem Zweifler, dass eine Totenstarre bei so einem ausgemergelten Körper nicht unbedingt in vollem Ausmaß auftreten müsse und fragte ihn, warum er den Sarg nochmal geöffnet habe. Er habe was gehört, meinte er daraufhin.

Ich verkniff mir eine nicht schmeichelhafte Antwort und verlies wortlos das Haus der Toten.

Zurück im Krankehaus tuschelte der Pförtner mit zwei Krankenschwestern.
»Oh, der Herr Doktor hat wieder Farbe im Gesicht!«,
stellte eine der beiden fest, dabei kicherten sie ziemlich albern. Deshalb hieß ich sie »pubertierende Gänse«, worauf sie noch mehr kicherten.

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