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Samstag, 23. Juli 2016

Ein Gartengrill mit Grenzbebauungsantrag

Joachims Nachbar war ein umgänglicher Typ. Freunde waren sie nicht, pflegten aber eine wohlwollende Nachbarschaft, und das schon seit Jahren.
Als der Nachbar, er heißt übrigens Hermann, sich einen neuen Weber-Kugelgrill anschaffte, nahm das Joachim wohlwollend zur Kenntnis.
»Gute Wahl!« Meinte er über den gemeinsamen Gartenzaun hinweg. 

Er selbst hatte sich vor zwei Jahren so ein Edelstahlmonster nach Hause geholt. Schon bald stellte er fest, mit Grillen hatte das nicht mehr viel zu tun. Nun stand das Ding abgedeckt in der Garage. Er hatte einfach keinen Bock mehr damit zu Grillen, weil es ja eigentlich gar kein richtiges Grillen war.

Joachim wollte zurück zu den Ursprüngen. Erst war es eine fixe Idee, aber so allmählich nahm diese Idee konkrete Formen an. Ein gemauerter Gartengrill musste her! Was Bodenständiges und was Grundsolides!


Als handwerklich begabter Freiberufler, Joachim war Chirurg, traute er sich durchaus zu, das Ding selbst hochzumauern.
Im Internet war schnell ein passender Bauplan gefunden. Er hatte sogar einen kleinen Schornstein zum Rauchabzug.
So ein fertig geformtes Teil, dass man nur noch hinstellen musste, wollte er nicht.

Backsteine, Schamottsteine und Zement waren schnell im Baumarkt besorgt. Ebenso ein geeigneter und sehr robuster Stahlrost. Es konnte ans Werk gehen.

Erst mal musste der Standort festgelegt werden. Nicht direkt am Haus, aber auch nicht allzuweit von der Terrasse entfernt. Der Wasseranschluss neben der Kellertür sollte bequem erreichbar sein.
Joachim hob gerade mit dem Spaten ein flaches Fundament aus, als sein Nachbar hinter dem gemeinsamen Gartenzaun auftauchte.


»Was wird das denn?«
»Ein Gartengrill!«
»Aha, gemauert, oder?«
»Sicher gemauert, was Solides halt!«
»Ziemlich nah an meiner Grenze!«
Joachim stelle einen abweisenden Unterton fest.


Herrmann war nicht nur Nachbar, sondern auch Beamter in der städtischen Liegenschaftsverwaltung. Um genauer zu sein, Oberamtsrat, also gehobener Dienst, mit der Besoldungsgruppe A13.

»Lieber Joachim, Du darft hier nicht einfach ohne meine Zustimmung rumgraben!«
»Hab Dich nicht so, das wird nur ein Gartengrill!«
Hermann lies sich nicht beirren.
»Du kannst hier ein Blumenbeet anlegen, gegen einen Baum habe ich auch nichts einzuwenden. Aber was Gemauertes für die Ewigkeit dulde ich nicht!«
Peng, das saß!«


Hermanns Stimme vibrierte leicht, obwohl er nicht lauter wurde.


»Aber Hermann, mein Gartengrill wird gerade mal etwas über einen Quadratmeter Grundfläche haben!«
Joachim nahm den Spaten, um ihn  an den Gartenzaun zu lehnen.
»Drohe mir nicht mit dem Spaten!« Herman wich einen Schritt zurück.
»Fang nicht zum Spinnen an. Kein Mensch droht Dir!«

Es entstand eine Pause. Sie schauten sich in die Augen. Hermann hatte mittlerweile ein Beamtengesicht der härteren Sorte aufgesetzt. Er kannte sich schon rein beruflich mit dem Baurecht bestens aus, was man von Joachim nicht behaupten konnte.

»Du musst mindestens drei Meter von meinem Grund wegbleiben!«
»Dann steht der Grill ja mitten auf meinem Rasen!«
»Dein Problem!«, konterte Hermann.
»Komm Hermann, es muss doch eine gemeinsame Lösung geben!«
»Ja, aber nicht direkt neben meinem Gartenzaun!«

Die gutnachbarliche Beziehung drohte zu kippen.

»Warum mauerst Du das Ding nicht auf die andere Seite, da ist doch genug Platz!«
»Da habe ich zu weit zum Wasseranschluss!«
Schon wollte Joachim wieder zum Spaten greifen, lies es dann aber aus verständlichen Gründen bleiben.

»Ich kann Dir die Gesetzestexte über’s Baurecht geben, wenn Du mir nicht glaubst!«
»Hermann, ich glaube Dir ja, ich dachte nur, so ein bisschen Gemäuer wäre nicht der Rede wert!«
Hermann ließ nicht locker.
»Ich gebe zu Bedenken, wenn das Ding erst mal steht, dann kannst Du es nicht mehr verrücken. Wegen dreimal Grillen im Jahr steht das Trum das ganze Jahr über hier rum. Nein, das will ich nicht, nicht so nahe an meinem Zaun!«

Wieder entstand eine Pause.

»Lass uns das ganze nochmal überdenken. Ich möchte deswegen keinen  Streit vom Zaun brechen.!«
Damit nahm Joachim schließlich doch seinen Spaten und Hermann fühlte sich nicht bedroht. Beide trollten sich, jeder in sein Einfamilienhäusschen.

Zwei Monate später stand unter einem strahlend blauen Frühsommerhimmel ein stattlicher gemauerter Gartengrill mitsamt Schornstein mitten auf der Grundstücksgrenze. Der gemeinsame Zaun war auf einer Länge von ca. Dreimeterfünfzig abmontiert, sodass der Grill von beiden Seiten bequem zugänglich war.

Was war passiert?

Die beiden Ehefrauen setzten sich zusammen und baldowerten einen gemeinsamen Plan aus.

So verscherbelte Hermann seinen Kugelgrill an Bekannte und innerhalb einer Woche wurde das Bauwerk für die Ewigkeit errichtet. Hermann half kräftig mit, wobei ihm als Beamten im gehobenen Dienst das Praktische weniger geläufig war. Deshalb übernahm er den Part des Handlangers und Joachim mauerte sehr exakt mit Senkblei und Wasserwaage.

Erste Brennversuche, ohne Grillgut natürlich, waren vielversprechend. Zuletzt wurde das Ganze mit weißem Feinputz verschönert.

Ein Grenzbebauungsantrag wurde formell eingereicht und da beide Unterschriften vorhanden waren, ohne Probleme durchgewunken. Somit war der gemeinsame Gartengrill in's städtische Kataster geschrieben und Hermann vollauf zufrieden.

Heute war Richtfest.
Um die dreissig Gäste tummelten sich, mal drenten mal herenten, im Garten.
Es gab Nackensteak, Käsekrainer und Bauchfleisch, auf bayrisch auch »Wammerl« genannt.


Unter der Gästeschar verweilte ein Ehepaar, die bekennende Vegetarier waren. Sie brachten ihre Tofu-Würstl und Sojabuletten selber mit. Sie tranken den ganzen Abend Gemüsesaft und zwischendurch bei Vollmond abgefülltes stilles Mineralwasser. Ansonsten fielen sie nicht weiter auf.

Der gemauerte Gartengrill bestand seine Feuertaufe mit Bravour. Selbst die Sojabuletten schmeckten außerordentlich gut, wie die beiden Vegetarier mehrmals betonten.

Aus der gutnachbarlichen Beziehung zwischen Hermann und Joachim wurde Freundschaft, gefestigt durch viele grenzüberschreitende Grillabende im Sommer und Glühweinabende im Winter. Dazwischen fand sich auch immer wieder mal Anlass zusammenzusitzen, mal drenten, mal herenten.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!


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